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Schon der gesunde Menschenverstand sagt uns eigentlich, dass Männer und Frauen sich grundlegend unterscheiden: in Körperbau, Gewicht, Hormonstatus und sozialem Verhalten.
Daher haben Ärztinnen und Ärzte die Geschlechter von jeher instinktiv unterschiedlich behandelt. Bei Frauen wurden auf eine Schwangerschaft geachtet und Medikamente niedriger und einschleichend dosiert, bis sich seit etwa 25 Jahren eine Forschungsrichtung entwickelt hat und heute sogar mit Professuren an medizinischen Fakultäten etabliert ist, die sich „Gender medicine“ oder „Geschlechtsspezifische Medizin“ nennt.
So weiß man heute, dass Frauen und Männer sich erheblich genetisch unterscheiden. Folgen: Frauen haben ein geringeres Körpergewicht, dabei aber einen höheren Anteil an Fettgewebe; ihre Nieren arbeiten langsamer, in der Leber müssen Enzyme nicht nur Abfallprodukte, sondern gleichzeitig auch die weiblichen Hormone abbauen. Andererseits arbeitet ihr Immunsystem um einiges stärker. Dies alles bewirkt, dass sich fettlösliche Stoffe, z. B. Medikamente, länger im Körper einlagern, dass der Abbau von Giftstoffen wie z. B. Alkohol langsamer geschieht, dass andererseits aber Impfungen bei Frauen stärker wirken. Sie leiden dadurch aber öfter an Allergien und sogenannten Autoimmunerkrankungen wie Rheuma, Multipler Sklerose, Leber- und Schilddrüsenentzündungen. Die weiblichen Hormone verhindern einen schnellen Abbau von Medikamenten in der Leber, machen aber schmerzunempfindlicher – was unter einer Entbindung mit ihren Hormon-Höchstspiegeln von der Natur sehr sinnvoll eingerichtet scheint.
Die Sexualhormone bestimmen auch unser Gefühlsleben: so sind Frauen in der Regel sanfter und empathischer, Männer aggressiver und abenteuerlustiger. Letztere haben vor allem deshalb eine weltweit geringere Lebenserwartung von fast 10 Jahren, denn sie werden öfter Gewaltopfer, konsumieren mehr risikoreiche Substanzen (Alkohol, Drogen, Nikotin) und haben höhere Unfall- und Suizidraten. Frauen geben mehr auf sich Acht, gehen häufiger zu Vorsorgeuntersuchungen, machen mehr Yoga, rauchen seltener und leben in Deutschland durchschnittlich 6 Jahre länger! Wobei in diesen Untersuchungen die sozialen Faktoren der Lebensverhältnisse (Armut, Gesundheitswesen…) noch nicht berücksichtigt sind.
Andererseits werden und wurden Frauen auch in hoch entwickelten Gesundheitssystemen bisher benachteiligt: so ergaben Untersuchungen von 2022, dass bei Frauen dieselbe Erkrankung im Schnitt 4 Jahre später diagnostiziert wird als bei Männern. Frauen werden oft auf die „Bikini-Medizin“ reduziert: auf die Organe, die unter einem knappen Bikini sitzen. Ihre anderen Beschwerden werden häufig als psychisch bedingt abgetan oder gar nicht geglaubt. So erhalten Frauen deutlich mehr Schmerzmittel, Psychopharmaka und Psychotherapie als Männer.
Und hier kommt das Paradebeispiel Herzinfarkt ins Spiel: Dieser ist keine typische Stresserscheinung bei überlasteten Managern, sondern trifft Frauen genauso, nur etwa 10 Jahre später, in der Regel nach den Wechseljahren, wenn die schützenden Östrogene fehlen. 50% der betroffenen Frauen sterben an ihrem Infarkt! (Aber nur 3 % an ihrem Brustkrebs). Warum diese hohe Sterblichkeitsquote bei Frauen?
Dies hat klare Ursachen:
- Die weiblichen Symptome sind anders – meist bestehen nicht etwa Brustschmerzen, sondern heftige Oberbauchbeschwerden, die als Magenschmerzen oder „Galle“ fehlgedeutet werden. So verstreicht wichtige Zeit bis zur richtigen Therapie.
- Frauen warten in der Regel zu lange, bis sie sich Hilfe holen und regeln oft noch den ganzen Haushalt. So kommen sie im Durchschnitt 40 (lebensrettende) Minuten später in einer Klinik an als der betroffene Mann (für den die Frau sofort den Notarzt ruft).
- Und ältere Frauen sind zumeist alleinstehend und haben niemanden, der ihnen Hilfe holt…
Zusammenfassend lässt sich sagen: Erkrankungen treten bei Frauen und Männern aus genetischen, Verhaltens- oder Umweltbedingungen unterschiedlich auf. Medikamente und Drogen wirken bei Frauen anders: Alkohol ist bei Frauen dreimal so toxisch und führt zu einem erhöhten Risiko von Leber-Zirrhose, Leber- und Darmkrebs, das Rauchen zu einem um 50% höheren Risiko für Lungenkrebs.
Frauen sollten daher „Genuss“mittel meiden, gesund essen, vor allem zusätzlich Vitamin D für die Knochen einnehmen, regelmäßig die Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch nehmen, sich viel bewegen, weniger scharfe Putzmittel (welche die Lunge schädigen können) benutzen, ihre verordneten Medikamente kritisch hinterfragen und vor allem ihre Krankheitssymptome immer ernst nehmen!
Dr. Cornelia Goesmann
Hannover, den 1.10.2023